Panzerminen - ein Fall für Bora
Die Vierbeiner des "Mine Detection Dog Center" helfen, 4000 tödliche Fallen
aufzuspüren.
KABUL. Bora ist ein belgischer Schäferhund in deutschen Diensten, der in
Afghanistan Minen sucht, Minen aus aller Kriegsherren Länder. Jetzt zieht Bora
Leine, geht ab, stets die Nase am Boden, bleibt nach einigen Metern abrupt
stehen, setzt sich auf die Hinterläufe, spitzt die Ohren und wedelt mit dem
Schwanz. Ein gutes Zeichen, denn Bora hat gerade eine Mine aufgespürt.
"Very good", sagt der Mann am anderen Ende der Leine und wirft ihr den
Gummiball zu. Bora liebt Gummibälle, sie sind der Lohn der Schnüffelei.
Boras oberster Chef ist Mario Boer. Der Berliner, der in zwölf Jahren bei der
Nationalen Volksarmee der DDR als Offizier das Kriegshandwerk zu
beherrschen lernte, ist der einzige Ausländer beim MDC, dem "Mine Detection
Dog Center" in Kabul, die als eine von acht Organisationen in Afghanistan
Minen sucht. Und findet. Jedes Jahr wird durch MDC das Land von bis zu 4000
explosiven Fallen befreit, vor allem von Panzerminen, die viel zu oft Lastwagen
und Busse zerfetzen.
10 Millionen Minen sind vergraben
Mario Boer erreicht das mit 950 Mann und 183 Hunden, neben belgischen
übrigens auch deutsche Schäferhunde. "Afghanistan", so relativiert Boer den
Erfolg, "gehört neben Kambodscha und Angola zu den meistverminten Ländern
der Welt: 10 Millionen sollen es sein. Von den 53 Modellen sind 50 mit einem
Metalldetektor nicht erkennbar. Das bedeutet Unfälle, deshalb die Idee mit den
Hunden. Denn Hunde riechen 45 Mal besser als wir."
Und 98 Prozent der verbuddelten Minen enthalten als Sprengstoff TNT
(Tri-Nitro-Toloul), einen äußerst geruchsintensiven Stoff.
Hunde riechen den Braten leicht. Um die Tiere auf Sprengstoff reagieren zu
lassen, bedarf es einer langen Dressur. Boer: "Das geht ganz früh los. Der
Ausbilder schaut sich den Wurf an. Nur Tiere, die richtig verspielt sind,
kommen überhaupt in Frage." Und die anderen? "Für die gibt es in Afghanistan
keine Verwendung. Aber etwa 70 Prozent der Welpen werden erstmal mit dem
Gummiball abgerichtet, spielen, suchen ihn. Dann wird der Ball mit Plastik
vermengt, schließlich kommt Sprengstoff dazu, und den Ball gibt´s für den
Hund nur noch als Belohnung. Es dauert etwa eineinhalb Jahre, bis ein Hund
so fit wie Bora ist."
Seit 1989, seit dem Abzug der Sowjets, gibt´s MDC, seit drei Jahren leitet
Mario das Projekt, das mit jährlich 2,5 Millionen Mark vom Auswärtigen Amt
finanziert wird. Das Modell macht Schule. Auch im Jemen wird jetzt auf die
sensiblen Schwarznasen gesetzt, Hund und Herrchen haben in Afghanistan
gelernt.
Über den Landweg zurück nach Kabul
Mario Boer merkt man seine militärische Vergangenheit durchaus an, er führt
die Truppe wie eine Einheit, er hat sich über seine Leute eine Meinung gebildet
("Der Afghane an sich braucht Anleitung"). Er hält aber auch zu ihnen, er ist
schon Mitte November, als sich kaum jemand getraut hat, über den Landweg
nach Kabul zurückgekehrt, um seinen Männern beizustehen.
Er hat die ganze Sache im Griff, ist auch mit den Taliban klargekommen. "Ich
will die bestimmt nicht verteidigen, aber sicherer als jetzt war´s unter denen
schon. Allerdings nur, weil alle Angst hatten."
Viele Gebiete müssen neu abgesucht werden
Mario sieht noch einen langwierigen Job auf sich und andere Entminer
zukommen. "50 Prozent der Minen waren schon entfernt vor dem 11.
September. Was dann Taliban, Nordallianz und wer sonst noch alles neu
verlegt haben, weiß keiner. Viele Gebiete müssen ganz neu abgesucht
werden." Dazu kommen nicht explodierte Gegenstände. 22 Prozent der
verschossenen Munition geht nicht hoch. Eine große Gefahr besonders für
Kinder.
Ungefährlich ist der Job auch für die Entminer nicht. Drei aus Boers Truppe sind
bisher ums Leben gekommen. "Es ist leider so, in der Regel ist es ein
persönlicher Fehler, der dazu führt." Auch acht Hunde hat die Truppe schon
verloren. Zwei sind bei einer fehlgeleiteten Bombe der Amerikaner von einer
Mauer erschlagen worden, mit sechs Tieren ist das Naturell durchgegangen.
Als sie die Mine aufgespürt hatten, haben sie gebuddelt.
Bora tut das nicht. Bora wedelt mit dem Schwanz. Und jedes Mal, wenn sie
wedelt, ist Afghanistan ein klein wenig sicherer geworden. (NRZ)
Die Vierbeiner des "Mine Detection Dog Center" helfen, 4000 tödliche Fallen
aufzuspüren.
KABUL. Bora ist ein belgischer Schäferhund in deutschen Diensten, der in
Afghanistan Minen sucht, Minen aus aller Kriegsherren Länder. Jetzt zieht Bora
Leine, geht ab, stets die Nase am Boden, bleibt nach einigen Metern abrupt
stehen, setzt sich auf die Hinterläufe, spitzt die Ohren und wedelt mit dem
Schwanz. Ein gutes Zeichen, denn Bora hat gerade eine Mine aufgespürt.
"Very good", sagt der Mann am anderen Ende der Leine und wirft ihr den
Gummiball zu. Bora liebt Gummibälle, sie sind der Lohn der Schnüffelei.
Boras oberster Chef ist Mario Boer. Der Berliner, der in zwölf Jahren bei der
Nationalen Volksarmee der DDR als Offizier das Kriegshandwerk zu
beherrschen lernte, ist der einzige Ausländer beim MDC, dem "Mine Detection
Dog Center" in Kabul, die als eine von acht Organisationen in Afghanistan
Minen sucht. Und findet. Jedes Jahr wird durch MDC das Land von bis zu 4000
explosiven Fallen befreit, vor allem von Panzerminen, die viel zu oft Lastwagen
und Busse zerfetzen.
10 Millionen Minen sind vergraben
Mario Boer erreicht das mit 950 Mann und 183 Hunden, neben belgischen
übrigens auch deutsche Schäferhunde. "Afghanistan", so relativiert Boer den
Erfolg, "gehört neben Kambodscha und Angola zu den meistverminten Ländern
der Welt: 10 Millionen sollen es sein. Von den 53 Modellen sind 50 mit einem
Metalldetektor nicht erkennbar. Das bedeutet Unfälle, deshalb die Idee mit den
Hunden. Denn Hunde riechen 45 Mal besser als wir."
Und 98 Prozent der verbuddelten Minen enthalten als Sprengstoff TNT
(Tri-Nitro-Toloul), einen äußerst geruchsintensiven Stoff.
Hunde riechen den Braten leicht. Um die Tiere auf Sprengstoff reagieren zu
lassen, bedarf es einer langen Dressur. Boer: "Das geht ganz früh los. Der
Ausbilder schaut sich den Wurf an. Nur Tiere, die richtig verspielt sind,
kommen überhaupt in Frage." Und die anderen? "Für die gibt es in Afghanistan
keine Verwendung. Aber etwa 70 Prozent der Welpen werden erstmal mit dem
Gummiball abgerichtet, spielen, suchen ihn. Dann wird der Ball mit Plastik
vermengt, schließlich kommt Sprengstoff dazu, und den Ball gibt´s für den
Hund nur noch als Belohnung. Es dauert etwa eineinhalb Jahre, bis ein Hund
so fit wie Bora ist."
Seit 1989, seit dem Abzug der Sowjets, gibt´s MDC, seit drei Jahren leitet
Mario das Projekt, das mit jährlich 2,5 Millionen Mark vom Auswärtigen Amt
finanziert wird. Das Modell macht Schule. Auch im Jemen wird jetzt auf die
sensiblen Schwarznasen gesetzt, Hund und Herrchen haben in Afghanistan
gelernt.
Über den Landweg zurück nach Kabul
Mario Boer merkt man seine militärische Vergangenheit durchaus an, er führt
die Truppe wie eine Einheit, er hat sich über seine Leute eine Meinung gebildet
("Der Afghane an sich braucht Anleitung"). Er hält aber auch zu ihnen, er ist
schon Mitte November, als sich kaum jemand getraut hat, über den Landweg
nach Kabul zurückgekehrt, um seinen Männern beizustehen.
Er hat die ganze Sache im Griff, ist auch mit den Taliban klargekommen. "Ich
will die bestimmt nicht verteidigen, aber sicherer als jetzt war´s unter denen
schon. Allerdings nur, weil alle Angst hatten."
Viele Gebiete müssen neu abgesucht werden
Mario sieht noch einen langwierigen Job auf sich und andere Entminer
zukommen. "50 Prozent der Minen waren schon entfernt vor dem 11.
September. Was dann Taliban, Nordallianz und wer sonst noch alles neu
verlegt haben, weiß keiner. Viele Gebiete müssen ganz neu abgesucht
werden." Dazu kommen nicht explodierte Gegenstände. 22 Prozent der
verschossenen Munition geht nicht hoch. Eine große Gefahr besonders für
Kinder.
Ungefährlich ist der Job auch für die Entminer nicht. Drei aus Boers Truppe sind
bisher ums Leben gekommen. "Es ist leider so, in der Regel ist es ein
persönlicher Fehler, der dazu führt." Auch acht Hunde hat die Truppe schon
verloren. Zwei sind bei einer fehlgeleiteten Bombe der Amerikaner von einer
Mauer erschlagen worden, mit sechs Tieren ist das Naturell durchgegangen.
Als sie die Mine aufgespürt hatten, haben sie gebuddelt.
Bora tut das nicht. Bora wedelt mit dem Schwanz. Und jedes Mal, wenn sie
wedelt, ist Afghanistan ein klein wenig sicherer geworden. (NRZ)