Also...
ich hab den Ergebnisteil und den größten Teil der Diskussion heute morgen gelesen.
De facto ist es so, dass man leider die beiden Gruppen positive Bestrafung (Stachler / TIG) und negative Bestrafung (Abbruchsignal) nicht direkt vergleichen konnte, weil die Bereitschaft der teilnehmenden Hundeführer, das Signal zu konditionieren, nicht besonders hoch war. (Wie offenbar auch die Bereitschschaft, mit den Hunden schon in der Vorbereitung die Entnahme der Speichelproben zu üben).
Es gab zwei Gruppen von Hunden an zwei Ausbildungsorten - bei einem war die Verfasserin selbst regelmäßig vor Ort, um das Abbruchsignal zu üben und Überzeugungsarbeit zu leisten - nur dort gab es überhaupt Hunde, die zuverlässig auf das Abbruchsignal reagiert haben, aber auch nur 3 von ca. 20. Die Verfasserin geht anscheinend davon aus, dass am anderen Ort gar nicht geübt wurde, und da sie selbst in Kontakt mit den Teilnehmern stand, denke ich, sie wird wissen, warum sie das denkt.
Dennoch denke ich, der Schluss, dass das Abbruchsignal in den hohen Trieblagen, in denen Diensthunde sich befinden, nicht so gut wirkt, ist zulässig, denn auch in der Gruppe, die das Abbruchsignal geübt hat, war die Quote sehr niedrig: Nur 4 von 20 Hunden reagierten überhaupt, und nur 3 zuverlässig.
Die Cortisolausschüttung war bei den Hunden beim versuchten Abbruch mit Abbruchsignal in der Tat deutlich höher als beim Abbruch mit Stachler oder TIG.
Und zwar weil, wie Euphelia auch schreibt, die Hunde in diesem Fall durch die Leine am Ausführen der gewünschten Aktion (in den Ärmel des Helfers beißen) gehindert wurden. Und nicht das tun konnten, was sie sonst gelernt hatten.
Das erlaubt aber in der Tat folgenden Schluss: Es ist für einen Hund deutlich stressfreier, wenn er durch einen rechtzeitigen Abbruch - auch durch eine positive Strafe - daran gehindert wird, eine erlernte Verhaltenskette abzufahren, als es tun zu können und dann nicht zum Erfolg zu kommen.
Vergleichbar ist das wohl mit einem jagenden Hund, der mit TIG gearbeitet wird, und dann eben nicht mehr jagt - im Vergleich zu einem, der stets an der Schlepp geführt wird und beim Anblick/Geruch von Wild regelmäßig einen Abraster kriegt.
Ansonsten waren vom Stresslevel in Bezug auf Cortisol her Stachler und TIG vergleichbar, das in einer anderen Arbeit analysierte Ausdrucksverhalten der teilnehmenden Hunde wies darauf hin, dass die Tiere vom Stachler (den sie ja immerhin kannten) etwas gestresster waren als vom TIG.
Der Lerneffekt der drei Methoden wurde auch noch untersucht (wobei das beim Abbruchsignal nur in sehr engen Grenzen möglich war).
Dieser war - innerhalb dieser Studie - beim TIG insgesamt besser als beim Stachler. Durch die Aufteilung der Teilnehmer auf zwei Ausbildungsorte kann man aber auch sehen, woran das liegt:
Das TIG wurde bei beiden Gruppen von denselben zwei sehr erfahrenen Helfern bedient, die große Erfahrungen im sekundengenauen Timing hatten. Hier lernten die Hunde sehr schnell und machten in der Regel beim zweiten Versuch keine Fehler mehr.
Beim Stachelhalsband unterschied sich die eine Teilnehmergruppe deutlich von der anderen - dort beherrschten die Probanden vermutlich das sekundengenaue Timing besser als in der anderen, und waren daher in der Anwendung erfolgreicher.
Was ist also aus dieser Arbeit zu schließen?
1) Es ist für einen Hund stressfreier, wenn er
a) einmal unmissverständlich lernt, was er nicht soll, und das Verhalten dann von sich aus nicht mehr zeigt oder
b) eine bestimmte Verhaltenskette durch exaktes Timing schon im Ansatz abgebrochen wird,
als wenn er dieses Verhalten immer wieder zeigen kann, ohne zum Erfolg zu kommen.
2) Für den Lernerfolg einer bestimmten Methode ist das Timing unerlässlich (das war zwar schon mehrfach belegt, wurde hier aber noch einmal bestätigt). Mit dem TIG sind offenbar sekundengenaue unmissverständliche Impulse möglich, wenn man denn weiß, wie es geht.
Falls es noch ein 3. Fazit gegeben hat, muss das in dem Teil verborgen sein, den ich nicht gelesen habe. Das muss dann also jemand anders nachtragen!
LG,
Lektoratte