Wer bin ich ?

guglhupf

15 Jahre Mitglied
du bist ich. :)

zeit für besinnlichkeit.


Du warst auf dem Nachhauseweg, als du gestorben bist.

Es war ein Autounfall - nichts Dramatisches, aber dennoch mit fatalem Ausgang. Du hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Es war ein schmerzloser Tod, die Rettungskräfte versuchten alles, um dir zu helfen, aber ohne Erfolg. Dein Körper war total zerschmettert - du bist tot besser dran, vertrau mir.

Und dann hast du mich getroffen.

"Was... was ist passiert?" fragst du. "Wo bin ich?"

"Du bist gestorben." Sage ich kurz und bündig - gibt keinen Grund, dich mit Samthandschuhen anzufassen.

"Da war ein Lastwagen und er kam in's Schleudern..."

"Yep", sage ich.

"Ich.... ich bin...gestorben?"

"Yep, aber sei nicht traurig - jeder stirbt." sage ich.

Du siehst dich um, aber hier ist das Nichts. Nur du und ich. "Was ist das für ein Ort?", fragst du. "Ist dies das Jenseits?"

"Mehr oder weniger", antworte ich.

"Bist du Gott?" fragst du.

"Yep", antworte ich. "Ich bin Gott."

"Meine Frau...meine Kinder" sagst du.

"Was ist mit ihnen?", frage ich.

"Wird es ihnen gut gehen?"

"So gefällt mir das.", antworte ich. "Gerade bist du gestorben und dennoch gilt deine größte Sorge deiner Frau und deinen Kindern. Das kommt gut an hier oben."

Fasziniert siehst du mich an. Für dich sehe ich nicht aus wie Gott - nur wie irgend ein Mann. Oder möglicherweise wie eine Frau. Wie eine vage Autoritätsperson, möglicherweise. Mehr wie ein Grundschullehrer, aber nicht wie der Allmächtige.

"Mach dir keine Sorgen", sage ich. "Es wird ihnen gut gehen. Deine Kinder werden dich als perfekten Vater in Erinnerung behalten. Sie hatten nicht Zeit genug, dich zu verachten zu lernen. Deine Frau wird nach außen hin trauern und weinen, aber insgeheim ist sie erleichtert. Um ehrlich zu sein - deine Ehe war dabei, auseinanderzufallen. Wenn es dich tröstet - sie schämt sich sehr für die Erleichterung, die sie über deinen Tod empfindet."

"Oh", sagst du. "Also was passiert jetzt. Gehe ich in den Himmel, gehe ich in die Hölle oder was nun?"

"Weder, noch", sage ich. "Du wirst wiedergeboren."

"Ah", sagst du. "Also hatten die Hindus Recht."

"Jede Religion hat auf ihre Weise Recht.", sage ich. "Komm, geh ein Stück mit mir."

Du folgst mir, gemeinsam schreiten wir durch die Leere. "Wohin gehen wir?", fragst du.

"Nirgendwohin", sage ich. "Es ist einfach nett, zu gehen, während wir uns unterhalten."

"Also, was ist nun Sache?", fragst du. "Wenn ich wiedergeboren werde, bin ich ein unbeschriebenes Blatt? Ein Baby? Und alle Erfahrungen aus meinem vergangenen Leben spielen keine Rolle mehr?"

"Keineswegs!", sage ich. "In dir trägst du das Wissen und die Erfahrungen all deiner vergangenen Leben. Du kannst dich nur nicht daran erinnern."

Ich bleibe stehen und nehme dich sanft bei den Schultern. "Deine Seele ist herrlicher, schöner und größer, als du es dir je vorstellen kannst. Der menschliche Verstand kann nur einen kleinen Bruchteil dessen erfassen, was du tatsächlich bist. Es ist, als würdest du einen Finger in ein Glas Wasser stecken, um herauszufinden, ob es warm oder kalt ist. Du gibst nur einen winzig kleinen Teil von dir in das Gefäß - und wenn du ihn wieder herausnimmst, hast du alle Empfindungen erfahren, die damit zusammenhängen."
"Du warst nun 48 Jahre ein Mensch und hast dich noch nicht genug ausgedehnt, um dein gesamtes Bewusstsein zu erfahren. Würden wir hier lange genug herumhängen, könntest du dich irgendwann an alles erinnern, was du je erfahren hast. Aber es macht keinen Sinn, das zwischen allen Leben zu tun."

"Wie oft wurde ich bisher wiedergeboren?", fragst du.

"Oh, oft. Immer und immer wieder. Und in zu viele verschiedene Leben. Diesmal wirst du ein chinesisches Bauernmädchen sein, 540 nach Christus."

"Wie bitte?", stammelst du. "Du schickst mich in der Zeit zurück?"

"Hm...technisch gesehen, ja.", sage ich. "Zeit, wie du sie kennst, existiert nur in deinem Universum. Die Dinge laufen etwas anders, da wo ich her komme."

"Wo kommst du her?, fragst du.

"Ich komme von Irgendwoher.", erkläre ich. "Von irgendwo anders. Und es gibt dort auch noch andere wie mich. Ich weiß, du würdest gerne alles erfahren - aber ehrlichgesagt: du würdest es nicht verstehen."

"Oh.", sagst du ein wenig traurig. "Aber warte - wenn ich immer in anderen Zeiten geboren werde, könnte ich mich schon selbst getroffen haben".

"Sicher doch. Das passiert andauernd. Und nachdem jedes deiner Leben sich nur seiner eigenen Lebensspanne bewußt ist, wisst ihr nicht mal, dass das passiert.", antworte ich.

"Also was bringt das alles?", fragst du.

"Ernsthaft?", frage ich. "Du fragst mich ernsthaft nach dem Sinn des Lebens? Ist das nicht ein wenig stereotyp?"

"Aber das ist doch eine berechtigte Frage.", entgegnest du.

Ich schaue dir in die Augen. "Der Sinn des Lebens, der Grund, warum ich dies alles geschaffen habe, ist, damit du heranwächst und reifst."


"Du meinst die Menschheit? Du willst, dass wir heranwachsen und reifen?"

"Nein, nur du. Ich schuf das ganze Universum nur für dich. Mit jedem neuen Leben wächst du heran, wirst reifer und ein größerer Geist", antworte ich.

"Nur ich?", fragst du. "Was ist mit all den anderen?"

"Es gibt keine Anderen. In diesem Universum gibt es nur dich und mich."


Mit leerem Blick schaust du mich an. "Aber all die Menschen auf der Erde..."

"Alles du. Verschiedene Inkarnationen von dir. "

"Warte...ich bin jeder?!"

"Nun verstehst du mich richtig", sage ich und klopfe dir anerkennend auf die Schulter.

"Ich bin jeder Mensch, der jemals lebte?"

"Und jeder Mensch, der jemals leben wird.", entgegne ich.

"Ich bin Abraham Lincoln?", fragst du.

"Und auch William Shakespeare.", sage ich.

"Ich bin Adolf Hitler?"

"Und du bist die Millionen, die er getötet hat."

"Ich bin Jesus?"

"Und du bist jeder, der ihm folgte", erkläre ich.

Du wirst still.

"Immer, wenn du jemanden bestraft hast, hast du dich selbst bestraft. Immer, wenn du barmherzig und gütig warst, warst du zu dir selbst barmherzig und gütig. Jeder glückliche Moment und jeder traurige Moment, der jemals von einem Menschen erfahren wurde und erfahren wird, wird von dir erfahren.", sage ich.

Du denkst lange nach.

"Warum? Warum all das?", fragst du.

"Weil du eines Tages so wirst, wie ich.", antworte ich. "Das ist dein Schicksal. Du bist einer meiner Art, du bist mein Kind."


"Wow!", sagst du ungläubig. "Du meinst, ich bin Gott?"

"Nein, noch nicht.", erkläre ich. "Du bist ein Ungeborenes. Du wächst noch heran. Wenn du eines Tages jedes Leben aller Zeiten gelebt hast, bist du genug herangewachsen, um geboren zu werden."

"Also ist das ganze Universum...."

"Ein Ei.", entgegne ich. "Und nun ist es Zeit für dich, dein nächstes Leben anzutreten."

Und ich sandte dich auf deinen Weg.




original von andy weir.
 
  • 4. Mai 2024
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Hi guglhupf ... hast du hier schon mal geguckt?
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.... Ich denk zu später Stunde anscheinend zu kompliziert... :verwirrt::rolleyes::lol:
Ich muss in die heia, drüber nachdenken.
 
So ist es. Das habe ich heute von dir erwartet. :love:

Und an alle anderen: Open your mind. :love:
 
Sehr schöne Story :)

Danke Sven, daß Du immer und immer wieder ein klein wenig zur Horizonterweiterung beiträgst.
 
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