Seit einem vermeintlichen Vorfall von Tierquälerei und einer folgenschweren Auseinandersetzung mit einem Polizisten schlagen die Emotionen in Loxstedt hoch. Viele Bürger sind besorgt, dass der Mann, der seinen Hund gehäutet hat, bald wieder aus der psychiatrischen Einrichtung entlassen werden könnte. Der Angeklagte selbst fühlt sich vorverurteilt und auch sein Tierarzt stellt klar: Der Hund war zum Zeitpunkt der Häutung bereits tot.
Der Tierarzt Horst Aufderheide kennt den schwarzen Rüden und seinen Besitzer seit 13 Jahren. Am vergangenen Freitag, 13. November, habe er ihn dann wegen Arthrose und anderer schwerer Vorerkrankungen einschläfern müssen, erzählt er. „Ich habe nie seltsame Verletzungen oder andere Anzeichen bemerkt, die darauf hinweisen könnten, dass der Mann seinen Hund quält. Er war sein einziger Halt“, betont Aufderheide.
Auch der Besitzer selbst, der sich aktuell für mindestens sechs Wochen in einer Psychiatrie befindet, sagt immer wieder, dass er seinen Hund nie misshandeln würde: „Ich wollte ihm nur das Fell abziehen, damit ich etwas als Erinnerung habe. Aber das ist ja nicht verboten.“ NORD|ERLESEN und der Polizei liegt ein Video vor, auf dem der Mann seinen Hund an den Hinterläufen aufgehängt hat.
Tatsächlich ist weder das Aufhängen noch das Häuten ein Strafbestand, bestätigt Dr. Edmund Haferbeck, der Leiter der Wissenschafts- und Rechtsabteilung bei PETA Deutschland. „Wenn das tote Tier enthäutet wird, ist das keine Tierquälerei. Und Leichenschändung gibt es bei Tieren nicht“, sagt er. Außerdem könne man als Eigentümer eines Tieres – denn im juristischen Sinne gelten Tiere als Gegenstand – so ziemlich alles mit dem Leichnam machen.
Angeklagter fühlt sich seiner Freiheit beraubt
Doch als seine Nachbarin den Hund im Garten entdeckte, rief sie die Polizei. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie nicht, ob der Hund noch lebte oder bereits tot war, stellt sie klar. Während des Polizeieinsatzes kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, da der 40-Jährige das Messer nicht aus der Hand gelegt habe, so die Polizei. In diesem Zusammenhang wurde ein Polizist schwer am Arm verletzt und musste notoperiert werden.
Auch der Täter sei leicht verletzt und daher im Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide behandelt worden. Anschließend durfte er wieder nach Hause. Dort wurde der 40-Jährige am folgenden Abend wegen eines erneuten Vorfalls mit Hilfe eines Spezial-Einsatz-Kommandos (SEK) festgenommenen und in einer Psychiatrie untergebracht.
Gegen den Beschuldigten wurden Strafverfahren unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet. In Absprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft kam die Beantragung eines Untersuchungshaftbefehls wegen der psychischen Beeinträchtigungen des Beschuldigten nicht in Betracht, so die Polizei. Doch er selbst bestreitet, psychologische Hilfe zu benötigen und fühlt sich seiner Freiheit beraubt: „Ich werde mit einem Anwalt dagegen vorgehen, damit ich hier früher rauskomme.“
Emotionen im Internet
Genau das befürchtet nicht nur seine direkte Nachbarin. Mehrere Menschen aus Loxstedt berichten von wiederholten Beleidigungen oder sogar Bedrohungen. Entgegen der Einschätzung des Tierarztes berichten sie zudem von Tritten gegen den Hund oder anderen Verletzungen des Tierwohles. „Als ich den Hund das letzte Mal gesehen hab, konnte er kaum noch laufen und musste einen gelben Sack mit Plastikflaschen hinter sich herziehen“, erinnert sich eine Loxstedterin. Außerdem sei er häufig ohne seinen Besitzer durch den Ort gewandert.
„Ich will ihm (dem mutmaßlichen Täter) nichts Böses, aber das geht schon über Jahre und er braucht dringend Hilfe“, erklärt seine aufgewühlte Nachbarin. „Es war wirklich schlimm, den Hund so sehen zu müssen – vor allem für meine Kinder“, sagt sie. Sie ist überzeugt, dass ihr Nachbar nicht nur punktuell, sondern generell psychologisch betreut werden müsse.
Bürgermeister Detlef Wellbrock (parteilos) versteht die Sorgen der Bürger, bittet aber zugleich darum, dass sich die negativen Emotionen dem mutmaßlichen Täter gegenüber im Internet nicht immer weiter hochschaukeln. „Das sollte nicht emotional eskalieren“, betont er.
Neben dem Haus des verstorbenen Hundes haben in den vergangenen Tagen mehrere Loxstedter eine Gedenkstätte für den bekannten Vierbeiner errichtet. Bis vor kurzem stand darauf geschrieben: „geschändet und gehäutet vom Besitzer...“ Diesen Schriftzug hat die Nachbarin inzwischen abgeklebt. Nun prangt über dem Foto des Hundes nur noch der Satz: „In Erinnerung einer Legende“ – „und das war er schließlich auch. Fast jeder in Loxstedt kannte den Hund“, sagt sie.