na ja, hier liest es sich etwas anders:
In Folge des Hochwassers sind mehrere Pferde und Rinder Ihres Beweidungsprojektes ertrunken. Es gab Kritik in der Öffentlichkeit, Sie hätten nicht rechtzeitig reagiert, um die Tiere in Sicherheit zu bringen. Haben Sie den Anstieg der Wassermassen nicht kommen sehen?
Doch, natürlich. Wir sind seit 20 Jahren Tierhaltungsbetrieb auf Naturschutzflächen entlang der Elbe. Unsere Tiere beweiden das Vorland zwischen Alter Elbe und Stromelbe, deshalb verfolgen wir selbstverständlich jeden Tag die Pegelstände der Elbe, so auch in diesen Tagen Anfang Juni. Alle Tiere, die auf der westelbischen Seite standen – das sind 50 Rinder und zehn Pferde – haben wir schon früh erfolgreich evakuieren können. Auf der ostelbischen Seite, im Bucher Brack, weideten seit 2008 auf großer Fläche eine Zuchtgruppe von 25 Taurus-Rindern und 20 Wildpferden, alles Hengste der Rasse Konik. Schon am Sonntag, den 2. Juni, haben wir begonnen, den Tierbestand auf eine Evakuierung vorzubereiten – obwohl es noch keine offizielle Anweisung vonseiten des Katastrophenstabs gab. An diesem Tag wurde noch ein Höchstpegel von 6,25 beziehungsweise 6,75 Metern vorhergesagt. Wir fingen an, die Tiere auf höher gelegene Stellen in Richtung der vorhandenen Rettungshügel zu treiben. Außerdem pachteten wir eine zwölf Hektar große Ausweichkoppel für die Tiere an. Am darauffolgenden Tag, Montag den 3. Juni, erreichte uns gegen Mittag dann die offizielle Anweisung des Katastrophenstabes, das Elbvorland zu beräumen.
Was haben Sie nach der Anordnung des Katastrophenstabes unternommen?
Am Montag früh waren wir sofort wieder bei den Tieren im Bucher Brack – das war noch bevor die Anordnung des Katastrophenstabes gegen Mittag eintraf. Wir überprüften den Standort der Tiere und schlossen hochgelegene Koppeln an die Stromführung des Elektrozaunes an. Parallel haben wir alle Vorbereitungen für eine Evakuierung der Tiere getroffen: Wir richteten die Ersatzkoppel für die Tiere ein und vereinbarten mit zwei Landwirtschaftsbetrieben, dass die Tiere in Stallanlagen untergebracht werden könnten. Darüber hinaus wurden Trecker und Helfer für die Evakuierungsaktion am Nachmittag gewonnen. Mit vielen Helfern, Treckern, Viehhängern und Treibegittern sind wir dann auf dem Landweg zum Weidegebiet übergesetzt, um die Tiere einzufangen. Doch unsere Versuche schlugen leider fehl; die Tiere sind über trockene Stellen und das Flachwasser immer wieder ausgewichen. Mit Einsetzen der Dunkelheit mussten wir dann abbrechen. Wir konnten jedoch einen Querzaun verschließen, dadurch konnte die Herde nicht mehr in die tief liegenden Bereiche zurück.
Haben Sie Ihr Vorgehen mit dem Katastrophenstab abgestimmt?
Ja, wir haben den Katastrophenstab der Stadt Jerichow und den Landkreis Jerichower Land jeweils zeitnah über unsere Aktivitäten informiert. Am Dienstag früh informierten wir den Kreis Jerichower Land und auch den Landesbetrieb für Hochwasserschutz darüber, dass die Evakuierung am Montag fehlgeschlagen war. Auch an den Folgetagen haben wir den Katastrophenstab schriftlich über den aktuellen Stand zur Situation der Tiere informiert.
Was haben Sie weiter unternommen, um die Herde vor dem Hochwasser zu schützen?
Auf die Weide zu kommen wurde immer schwieriger, das Wassers lief sehr schnell hoch auf. Am Dienstag, den 4. Juli, konnten wir schon nicht mehr auf dem Landweg zu den Tieren gelangen. Natürlich haben wir trotzdem weiter versucht, zu evakuieren. Am Dienstag sind wir mit einem Fischerkahn, vielen Kollegen und der Unterstützung durch den Landeskontrollverband der Rinderzucht Sachsen-Anhalts über die Elbe übergesetzt. Wir haben eine Gasse errichtet, um die Tiere über einen Leitdeich in Sicherheit zu treiben, was der Landeshochwasserbetrieb einmalig auch genehmigt hatte. Anfangs schien das gut zu klappen, doch die Tiere brachen dann seitlich aus. Leider hat es nicht funktioniert, die Tiere danach noch einmal zu locken und zu drücken, dies auch am darauffolgenden Mittwoch nicht. Auch diese leider fehlgeschlagenen Versuche haben wir gemeldet. Gleichzeitig baten wir darum, mit Kollegen auch in den nächsten Tagen mit einem Fischerkahn zum Brack übersetzen zu können.
Warum mussten Sie die Evakuierung beenden?
Ab Mittwochabend untersagten der Katastrophenstab des Landkreises und das Wasserschifffahrtsamt sowohl die Zufahrt über den Wasserweg und auch über den Landweg, also über die Deiche und das Deichvorland. Ab diesem Zeitpunkt gab es für uns keine Möglichkeiten mehr auf die Weide zu gelangen, alle Wege waren versperrt und den Anweisungen des Katastrophenstabs mussten wir Folge leisten. Dadurch spitzte sich die Lage erheblich zu. Am Donnerstag, den 6. Juni, wiesen wir den Katastrophenstab darauf hin und schlugen zwei konkrete Lösungen vor: Entweder wir hätten versucht, die Tiere über den gesperrten Deich in einen nahen Polder zu treiben und die Tiere abzutransportieren. Alternativ schlugen wir dem Katastrophenstab vor, einen Fährpramen oder eine Motorfähre zu ordern, um die Tiere einzufangen und abzutransportieren. Wir baten den Katastrophenstab außerdem, sich dazu mit uns abzustimmen. Doch leider blieb eine Antwort mit einer Entscheidung zu unseren Vorschlägen aus – und so kamen wir über die nächsten Tage einfach nicht mehr an die Tiere heran.
Welche speziellen Probleme gibt es bei der Evakuierung von Koniks und Taurus-Rindern?
Bei den Rassen Konik und Taurus-Rinder handelt es sich nicht um gewöhnliche Milchkühe oder Hauspferde. Taurus-Rinder sind eine Abbildzüchtung des europäischen Wildrindes, des Auerochsen. Koniks sind die Abbildzüchtung des europäischen Wildpferdes, des Tarpans. Sowohl Koniks als auch die Rinder sind sehr robust und den Anforderungen an ein selbstbestimmtes Leben bestens gewachsen. Sie lassen sich jedoch nicht einfach zusammentreiben, wie es bei einer Herde Milchkühe möglich ist. Außerdem sind sie nur auf wenige Personen fixiert, an die sie optisch und stimmlich gewöhnt sind und von denen sie sich am ehesten anlocken lassen. Hinzu kommt, dass die Tiere große und stark bewachsene Flächen beweiden, die sie als ihr Territorium betrachten. Hätten wir die Tiere zum Beispiel betäubt, hätte das Risiko bestanden, dass sie in Panik in den Büschen verschwunden wären und wir sie nicht hätten bergen können. Einzeltiere lassen sich sehr aufwändig betäuben, diese Methode wird von unserem Tierarzt für die vorgeschriebene Ohrmarkierung der Kälber regelmäßig angewendet. Eine komplette Herde kann man auf diese Weise allerdings nicht evakuieren.