Ich vermute, ganz technisch gesagt, dass andere Getränkeproduzenten genau identische Tests machen. Auch diese werden Geschmacksrezeptoren verwenden, die aus menschlichen oder tierischen Zellen isoliert werden, um zu schauen, ob sie auf ein bestimmtes Aroma ansprechen.
Der Test an sich ist nix gruseliges. Damit eine Fremdfirma zu beauftragen, an sich auch nicht.
Nur benutzt diese Firma eine Zelllinie, die aus fetalem Gewebe gewonnen wurde. Nicht "immer wieder aus abgetriebenen Föten entnommen wird", sondern in
einem Fall (okay, bis man eine hatte, wo es klappte, aus mehreren) aus einem Fötus entnommen und angelegt und um Elemente aus einem Virus "ergänzt" wurde. Dadurch wurde sie kultivierbar und wird seitdem vermehrt und in Kultur gehalten.
Abgesehen von dieser Herkunft unterscheiden sich die Zellen optisch und ansonsten in
nichts von andere Zellen, die in Kultur gehalten werden. Da es Nierenzellen waren, konnte auch niemals aus diesen ein ganzer Mensch neu entstehen und könnte es auch heute nicht.
Nun mag man darüber denken, wie man will...
Aber die erste Frage, die man sich meiner Meinung nach stellen muss, ist: Wurde das Kind abgetrieben, bzw. wurden die Kinder (denn es waren ja mehrere) abgetrieben, um diese Zellen zu gewinnen?
Antwort: Nein.
Wurden die Kinder abgetrieben, weil sie unerwünscht waren und ihre Eltern den leichteren Weg gehen wollten?
Antwort: Wissen wir nicht. Da die ersten Forschungen aber in einer Universität (Umgebung Uniklinik) stattfand, ist möglicherweise davon auszugehen, dass das nicht unbedingt der Fall war, sondern dass es sich um Fehlgeburten oder Abtreibungen aus medizinischer Indikation gehandelt hat.
Natürlich ist auch das Gegenteil nicht auszuschließen.
Ist es ethisch vertretbar, das Gewebe in so einem Fall für Forschungszwecke zu nutzen?
Darauf kann es keine eindeutige Antwort geben. Im Grunde liegt der Fall ähnlich wie bei der Organspende - wenn im Fall einer Abtreibung mit medizinischer Indikation oder einer Fehlgeburt die Eltern einverstanden sind, das Gewebe ihres Kindes ganz oder zum Teil für Forschungszwecke zu spenden, würde ich das nicht verwerflich finden. Ich selbst würde es vermutlich je nach Umständen auch tun.
[Ich verstehe aber auch jeden, der das
nicht kann oder will! Nur kann man gerade bei so einen hochsensiblen Thema nicht automatisch davon ausgehen, dass jeder die Dinge so sieht oder sehen muss, wie man selbst.]
Allerdings muss man einwenden, dass die Aufklärung der Patienten bei solchen Dingen gerade auch in der Frühphase der Zellkultur nicht immer besonders ausführlich erfolgte, und viele Ärzte sogar der Meinung waren, dass Patienten über einmal entnommenes Gewebe keine Verfügungsgewalt mehr hätten und überhaupt nicht darüber aufgeklärt zu werden bräuchten, was damit passiert.
Wen das Thema interessiert, dem empfehle ich übrigens das Buch:
Die Untersterblichkeit der Henrietta Lacks.
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Gerade die Berichte über die Anfangsphase der Zellkulturforschung sind hoch interessant, und es ist gut geschrieben und leidlich ordentlich übersetzt.
Es ist also leider vermutlich tatsächlich fraglich, ob damals die Eltern der Kinder, deren Zellen für die Forschung verwendet wurden, alle aufgeklärt wurden oder ihr Einverständnis gegeben haben.
Nächste Frage: Kann und darf man diese Zellen heute trotzdem verwenden, egal für was?
Auch wenn sie seit 40 Jahren existieren, durch die "Transfektion" mit dem Virus eben keine menschlichen Zellen mehr sind, und so, wie sie jetzt sind, nie anders gelebt haben als in Kulturflaschen und Schalen?
Antwort: Weiß ich nicht. Ich tendiere da eher zu einem pragmatischen: "Nun sind sie da, nun kann man sie auch nutzen."
Das wird genau genommen mit recht vielem gemacht, das in der Frühphase der Medizin unter heute sehr fragwürdigen ethischen Bedingungen erforscht und entwickelt wurde, also warum nicht auch mit diesen Zellen?
(Ein Vorteil an diesen Zellen ist übrigens, dass sie in serumfreiem Medium leben können. Sprich, ihr Nährmedium braucht kein Blut. Das sonst üblicherweise von Rindern genommen wird. Das haben sie vielen anderen ähnlichen Zelllinien voraus.)
Andere mögen da anders urteilen, weil sie eine andere innere Grenze haben als ich. Das ist in Ordnung, damit muss ich und kann ich gut leben.
Ich kann nichtmal diese "Pro-Life-sonstwie"-Leute verurteilen. Wenn sie grundsätzlich gegen Abtreibung sind, und sich den Schutz ungeborenen Lebens auf die Fahnen geschrieben haben, ist es aus ihrer Sicht nur konsequent, sich auch dafür einzusetzen, dass keine irgendwie embryonalen Zelllinien mehr verwendet werden.
Aber: In dem Sinne ist der Prozess und die Kampagne gegen Pepsi klar ein "Schauprozess".
Und es ist ganz offensichtlich (und das stört mich daran), dass eine Partei gezielt mit dem Emotionen der Leute spielt, um die eigene Position zu stärken.
Es gibt in der Tat Punkte bei der Verwendung von Embryonalzellen, oder
grundsätzlich von menschlichen Zellen, über die man eine ethische Debatte führen kann. Und sollte.
Dazu gehört aber nicht, dass es besonders "gruselig" ist, dass für diese Tests ausgerechnet Embryonalzellen verwendet werden.
Die sehen nicht irgendwie anders aus als andere Zellen.
Es hätten, rein technisch, genauso gut ganz normale menschliche Zellen sein können, oder Tumorzellen (Wär auch ne gute Schlagzeile: "Pepsi nutzt Krebszellen für seine Limo!"
), oder tierische Zellen, ob vom Schlachthof oder von Versuchstieren.
Solange der Embryo nicht gezielt erzeugt und abgetrieben wurde,
um diese Zellen zu gewinnen, unterscheidet er sich als "Gewebespender" in nichts von allen anderen ähnlichen Gewebequellen.
Er kontaminiert die Pepsi nicht, und der Test mit den isolierten Rezeptoren funktioniert damit nicht besser oder schlechter als bei jeder anderen Zelllinie (aus der welche isoliert werden können).
Einziger Unterschied zB zu nach einer OP entnommenem Nierenkrebsgewebe: Der Organismus, aus dem
diese Nierenzelle entnommen wurde, war noch kein Mensch, hätte aber mal einer werden können.
Und er konnte darum nicht selbst sein Einverständnis geben.
Aus einem Grund, der
nichts mit Pepsi zu tun hat, und
nichts mit irgendeinem anderen Produkt, das heute mit Hilfe der Zellen erforscht wird, durfte oder konnte dieser Organismus kein Mensch werden.
Und
nachdem sein beginnendes Leben beendet wurde, wurden Teile seines Körpers nicht bestattet oder entsorgt, sondern für die Forschung weiterverwendet.
Der kritische Punkt ist hier mEn wie bereits schonmal ausgeführt nicht die Forschung. Sondern der Schritt davor.
Dass ein radikaler Abtreibungsgegner alles ablehnt, dass irgendwie mit Abtreibung zu tun hat, kann ich zumindest vom Kopf her nachvollziehen. Der kann dann, wenn es ihm wirklich ernst ist, nicht sagen: Okay, ist länger als 40 Jahre her, da mach ich mal eine Ausnahme.
Dass Leute, die den Schutz des ungeborenen Lebens wirklich ernst nehmen, dagegen ins Feld ziehen, dass Embryonalzellen "einfach so" verwendet werden, "weil sie eh niemand mehr braucht"... finde ich sogar löblich. Wie gesagt, ich bin nicht grundsätzlich dagegen, sie überhaupt zu verwenden, aber halt nur unter bestimmten Umständen und mit ausführlicher Aufklärung und Einverständnis der Eltern.
Dass das aber letztlich auf der Schiene läuft, in Pepsi seien embryonale Zellen drin - nervt mich einfach nur.
PS:
Übrigens könnte es auch sein, dass ein Teil der für die herstellung solcher Zelllinien verwendeten Embryonen solche waren, die bei der Befruchtung im Reagenzglas angefallen sind und überzählig waren, also nie eingepflanzt wurden.
Wenn die Eltern diese nämlich nicht mehr wollen oder brauchen, werden die nicht etwa zur Adoption freigegeben, sondern entsorgt - oder (s.o.), sie können mWn auch der Forschung gespendet werden. (Nicht hierzulande, aber in den USA zB)
Das ist zB ein Punkt, über den ich mir gern mal eine Debatte
wünschen würde... weil ich ganz persönlich das für viel fragwürdiger halte, als das "Spenden" eines Embryos, der aus gesundheitlichen Gründen abgetrieben werden musste.
(Und ist auch ein Grund von mehreren, warum künstliche Befruchtung für mich nicht in Frage gekommen wäre - ganz persönlich. - Aber ich schweife ab...)