Zusammenfassung „Genomic and archaeologic evidence suggests a dual origin of domestic dogs“
Science (2015), 352, 1228–1231
Bisher war sich die Fachwelt uneins, ob der Hund nun zweimal oder nur einmal domestiziert wurde, und falls nur einmal, ob in Europa, Zentralasien oder Ostasien.
Die Autoren dieser Studie wollten nun versuchen, dem Ursprung des Hundes mit modernsten molekulargenetischen Ansätzen auf die Spur zu kommen.
Dafür untersuchten sie das Erbgut (die DNA) verschiedener Hunde aus der heutigen Zeit, aber auch von historischen Hundefunden, auf ihre Ähnlichkeit. Das Prinzip ist eigentlich einfach… je ähnlicher sich zwei Genome (also jeweils das komplette Erbgut) von zwei Hunden sind, desto näher sind die miteinander verwandt. Da Veränderungen in der DNA im Laufe der Zeit zufällig entstehen, ist die Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit im Erbgut auch ein Maß dafür, wann der letzte gemeinsame Vorfahre zweier Hunde jeweils gelebt hat.
Dazu wurde das gesamte Erbgut eines Hundes aus einem jungsteinzeitlichen Grab in Irland (etwa 4800 Jahre alt) untersucht, und mit den bereits bekannten genetischen Sequenzen von 80 verschiedenen Hunden verglichen. Dazu kamen noch einmal 605 neuzeitliche Hunde verschiedenster Rassen aus der ganzen Welt, aber auch freilebende Dorfhunde, z.B. aus Portugal, dem Libanon, Namibia etc., von denen Informationen über bestimmte DNA-Stellen vorlagen, sogenannte SNPs. Das sind Stellen im Genom, bei denen man bereits weiß, dass sie bei verschiedenen Hunden in verschiedenen Varianten vorkommen, und die teilweise mit bestimmten Merkmalen (Farbe, Felllänge etc.) assoziiert sind. Das heißt nicht, dass sie sie verursachen, aber dass sie
gemeinsam mit diesen vererbt werden. Es ist durchaus ausreichend, für einen Ähnlichkeitsvergleich nicht immer die komplette DNA-Sequenz zu nehmen, sondern erst Mal besagte SNPS anzuschauen.
Bei einem allgemeinen Ähnlichkeitsvergleich via SNPs wurden nun zwei größere Gruppen gefunden, die sich deutlich voneinander unterschieden: Zum einen war das die
Ostasiatische Gruppe um den Shar-Pei, Tibetanischen Mastiff, diverse Dorfhunde aus der Region usw. Zum anderen gab es Hunde aus dem
westlichen Europa und Westasien und dem Nahen Osten. Zu dieser Gruppe passte auch der irische Hund aus der Jungsteinzeit. Die Ostasiaten waren dabei den mituntersuchten sibirischen Wölfen ähnlicher als die europäisch-westasiatischen Hunde.
(Interessanterweise bildete der Saarlos, in den ja vor relativ kurzer Zeit moderne europäische Wölfe eingekreuzt wurden, bei diesem Ansatz seine eigene Gruppe. Er unterschied sich deutlich von allen anderen Hunden.)
Da der irische Hund sich schon eindeutig einer von beiden Hauptgruppen zuordnen lässt, muss die Trennung von West- und Ost-Hunden viel früher erfolgt sein, also vor über 4.800 Jahren. Einige Hunde, vor allem Schlittenhunde, ließen sich bei diesem Versuch nur schlecht einordnen, sie trugen Merkmale beider Gruppen in einem Ausmaß, dass man nicht genau erkennen konnte, was zuerst dagewesen war.
Weitere Berechnungen ergaben, dass die Vorfahren heutiger Hunde sich etwa vor 20.000 bis 60.000 Jahren von den Vorfahren der heutigen, hier untersuchten sibirischen Wölfe trennten. Das sagt aber nichts über den Zeitpunkt der Domestikation aus, nur darüber, dass es eben sehr vermutlich keine
sibirischen Wölfe waren, die später die Urväter unserer heutigen Hunde wurden. Die Trennung
zwischen westlichen und östlichen Hunden trat demnach
entweder zur selben Zeit oder nach dem Zeitpunkt auf, wo auf beiden Seiten des Kontinents erstmals Anzeichen von domestizierten Hunden gefunden wurden (Westen: > 15.000 Jahre, Osten > 12.500 Jahre). Diesen Satz verstehe ich nicht ganz… aus irgendeinem Grund schließen die Autoren daraus, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits auf beiden Seiten des Kontinents unabhängig voneinander Hunde gab, und dass ein Teil der westlichen Hunde dann später durch Hunde östlicher Herkunft ersetzt wurde.
Hier kommt jetzt die die mitochondriale DNA ins Spiel: Mitochondrien sind die „Kraftwerke“ der Zelle. Sie haben ihre eigene, kleine DNA mit den wichtigsten Genen, unabhängig vom sonstigen Zellkern. Normalerweise werden sie nur von der Mutter vererbt (mit der Eizelle), Samenzellen haben im Kopf keine Mitochondrien und können bei der Befruchtung also auch keine zum Endergebnis beitragen. Das Gute an Mitochondrien ist, dass ihre Sequenz genau bekannt ist und die Rate, in der es zu spontanen Veränderungen des Genoms (der Erbanlagen) kommt, relativ konstant ist. Im Gegensatz zum großen Genom im Zellkern, wo die Mutationsraten je nach Region im Genom stark voneinander abweichen. So kann man über den Grad der Ähnlichkeit der mitochondrialen DNA nicht nur herausfinden, wie nahe verwandt zwei Hundetypen sind, sondern auch, wann ihre Vorfahren begannen, sich getrennt zu entwickeln. X Veränderungen zwischen A und B entsprechen in diesem Fall eben Y Jahren bis zum letzten gemeinsamen Vorfahren. Außerdem ist die Sequenz so gut bekannt, dass man die mtDNA hervorragend für einen groben Ähnlichkeitsvergleich einsetzen kann.
Für diese Untersuchung wählten die Autoren dafür die DNA (also, das Erbgut)der Mitochondrien aus prähistorischen Hundefunden in Europa (14.000 bis 3.000 Jahre alt), zum anderen das von 167 bereits bekannten Gensequenzen verschiedener Hunde. Dieser Vergleich zwischen prähistorischen und modernen westlichen Hunden zeigte klar, dass die allerältesten westlichen Hunde (die aus der Altsteinzeit) ein stark von den östlichen Hunden verschiedenes mitochondriales Genom hatten. Heute gibt es jedoch auch in westlichen Rassen durchaus Elemente „aus dem Osten“, in viel stärkerem Ausmaß als in der Steinzeit. Dies ließe sich z.B. dadurch erklären, dass durch Handel und Wanderungen zu einem bestimmten Zeitpunkt östliche Hunde westwärts gebracht wurden und dort einen Teil der alteingesessenen Hundepopulation verdrängten – und ihre Erbanlagen vor Ort weiterverbreiteten.
Es wäre theoretisch auch möglich, dass der Hund nur einmal, und zwar in Ostasien, domestiziert wurde. Dann würden die heutigen Westhunde einer kleinen Population entstammen, die sehr früh aus dem Osten nach Westen gelangte, sich dort unabhängig entwickelte und später dann ein
weiteres Mal mit den östlichen Verwandten in Kontakt kam (Mal stärker – die Nordischen, und mal weniger stark – die meisten heutigen Haushunderassen und viele Hunde aus dem Nahen Osten und Afrika).
Gegen die zweite Hypothese spricht allerdings, dass man aus der Frühzeit der Hundehaltung (vor 12.000 bis 14.000 Jahren)
nur am West- und am Ostrand des Eurasischen Kontinents archäologische Hinweise auf die Hundehaltung gefunden hat, nicht aber in der Mitte. Die ältesten Funde in Zentralasien sind nur 8.000 Jahre alt.
Das wiederum passt zu der Hypothese, dass der Kontakt zwischen beiden vorher eigenständigen Hundegruppen erst relativ spät erfolgte, besser als zu der anderen.
Für die Hypothese mit den zwei Ursprüngen spricht für die Wissenschaftler auch, dass der untersuchte irische Hund aus der Jungsteinzeit neben seinem „westlichen“ und einem kleinen östlichen Erbgutanteil auch noch Sequenzen im Erbgut hatte, die in modernen westlichen Hunden so heute nicht mehr vorhanden sind. Er gehört also zu einer Gruppe Hunde mit Erbanlagen, die durch den stärkeren Kontakt der dortigen Hundepopulation mit „Osthunden“ nach und nach aus Europa verschwunden und von dem „Osthunde“-Genom völlig verschieden sind. Das deutet auch eher darauf hin, dass es in Europa vor dem ersten Kontakt mit den asiatischen Hunden bereits eigene Hunde mit ihrem eigenen Genpool gab.
Endgültig beweisen lässt sich mit den bisherigen Ergebnissen der Studie allerdings keine der beiden Hypothesen. Das soll nun in weiteren Studien nachgeholt werden.