Hey Herzenshund
(ich find dich und deinen Schnuffel übrigens auch total hübsch, das nur so nebenbei),
glaub mir, ich kenn den Spießrutenlauf auch, allerdings habe ich nicht mal "so einen" Hund. Meine Senta ist ein reinrassiger rumänischer Allesdrin mit einer Portion Husky und Collie, hat aber leider die böse Farbe erwischt, sie ist schwarz. Noch dazu ist sie nicht einfach, weil sie einen Großteil ihres Lebens auf der Straße damit verbracht hat, sich selbst durchzukämpfen, um zu überleben. Sie kam über eine Tierheimpartnerschaft aus Rumänien hierher nach Deutschland in das Tierheim, in dem ich ehrenamtlich Hunde trainiere. Als Straßenhund. Als Angsthund. Als schwarzer Hund. Als nicht ganz junger Hund. Klar, dass sie keiner wollte. Ich habe dann 15 Monate lang im Tierheim mit ihr gearbeitet, ihre ganzen Umweltängste therapiert, ihr die Welt und die Menschen vorgestellt, ihr beigebracht, dass niemand sie fressen wird, solange ich da bin. Weil sie nach diesen 15 Monaten noch immer keiner wollte, habe ich sie selbst adoptiert. Nun habe ich halt einen Hund, der es nicht chic findet, wenn ihr andere Hunde ins Gesicht hüpfen oder sie überrennen, ob in Spielabsicht oder um ihr was anzutun. Nein, sie mag es nicht. Daher bitte ich andere Leute, ihre Hunde anzuleinen oder anderweitig davon abzuhalten, Senta zu belästigen. Was passiert? Man erzählt sich jetzt im Wald, mein Hund sei böse, gefährlich, aggressiv und unverträglich. Dabei möchte sie bloß nicht, dass ihr ein anderer Hund zu nah kommt. Sie mag bestimmte Hunde, mit denen wird gespielt und getobt, die anderen ignoriert sie und möchte auch ignoriert werden. Leider ein Unding für viele Hundehalter. Daher hat sie jetzt einen miesen Ruf, ohne ein einziges Mal geschnappt zu haben.
Zweites Thema: Fremde Menschen. Senta möchte nicht von Passanten angetatscht werden. Hockt man sich hin und hält ihr die Hand zum Schnuppern hin, hat man mit hoher Wahrscheinlichkeit Glück, und sie kommt und lässt sich dann auch anfassen. Wenn sie nicht kommt, sorge ich dafür, dass sie keiner antatschen kann - denn glaub es oder nicht, die Leute versuchen in dem Fall auch noch, ihr hinterherzulatschen. Auf ihrem Geschirr steht "Pfoten weg" und "Nur gucken, nicht anfassen", um die Menschen nett darauf hinzuweisen, dass ich nicht mit einem Streichelzoo unterwegs bin. Wenn ich dann eben sage, dass man Senta nicht einfach hinterherrennt und auf den Kopf patscht, habe ich wieder einen aggressiven Hund. Klar, sie ist schwarz.
Drittes Thema: Kinder. Lasse ich gar nicht an sie ran, denn obwohl wir es gemeinsam geschafft haben, dass sie keine Angst mehr vor Passanten hat, sind ihr Kinder nach wie vor sehr suspekt. Fragen diese, ob sie mal streicheln dürfen, lehne ich freundlich ab und erkläre den Kleinen, dass mein Hund Angst hat. Die Kinder sehen es meistens ein. Wenn nicht, kann ich sie blocken. Die dazugehörigen Eltern diskutieren dann aber gern mal, wieso ihr Engelchen denn jetzt den Hund nicht anfassen darf. Sage ich, dass ich einen Angsthund habe, sehen sie es dennoch nicht ein und behaupten, mein Hund sei ein bissiges Monster und solle nicht ohne Maulkorb auf die Straße.
Dies wurde mir übrigens neulich sogar in einem anderen Hundeforum gesagt: Wenn dein Hund sich nicht darüber freut, dass ihn wildfremde Leute und auch Kinder ohne Vorwarnung angrabschen, dann gehört ein Maulkorb drauf, immer und überall, ohne Kompromisse oder Ausnahmen. Und wenn ich das nicht mache, dann bin ich verantwortungslos.
Neuestes Beispiel: Neulich im Zug. Wir üben gerade "nicht in der Tür stehen", das ist für Senta noch ein großes Thema, da sie gern im Türbereich bleibt, um bei nächster Gelegenheit auszusteigen. Dieses Mal habe ich sie gezwungen, mit mir in eine Vierersizgruppe zu kommen. Da seh ich auf einmal einen ganz kleinen Jungen, der von seinem Vater vom anderen Ende des Zuges zu uns gescheucht worden war, um den Hund zu begrabbeln. Ich seh ihn also ankommen, mit wedelnden Armen und "Wau-wau!" kreischen, sage freundlich, aber deutlich, dass das Kind bitte den Hund nicht anfassen soll. Da baut sich der Vater vor mir auf, pöbelt mich bedrohlich an und brüllt dann durch den ganzen Zug, dass sein armes Kind meinen Hund ja nicht anfassen darf, weil der böse, gefährlich, bissig und aggressiv ist.
Und dabei habe ich bloß einen ganz netten, etwas ängstlichen schwarzen Hund mit weißen Abzeichen, niedlichen Kippohren und Plüschfell. Ich denke, wäre Senta ein Hund mit einschlägigem Aussehen, wären die Anfeindungen noch viel schlimmer. Ich habe inzwischen gelernt, damit umzugehen, meistens kriegen die Leute dann noch den passenden Spruch dazu, aber manchmal könnte ich auch heulen. Nicht mehr so oft allerdings. Übrigens habe ich mir schon mal überlegt, mir ein T-Shirt mit folgender Aufschrift drucken zu lassen: "Die tut nix. Hier beißt das Frauchen noch selbst".
Denn mein Ruf ist ungefähr ebenso ruiniert wie der meines Hundes, weil ich immer für sie eintrete.