Ich habe nun die 187 Seiten angeschaut.
Das Grundprinzip ist, nach Unterschieden zu suchen, was die Gruppe der beißenden Hunde (Gruppe B) von der Gruppe der Hunde, die kein Beißen gezeigt hatten (K) unterscheidet. Unter B wurden solche Hunde einsortiert, die eine Beißbewegung mit Annäherung ausgeführt hatten, was i.d.R. durch einen Maulkorb verhindert wurde. Manche Hunde haben auch tatsächlich gebissen, z.B. ihren eigenen Halter bei der Übung "Fang zuhalten".
Die Untersuchung fand statt während der Gültigkeit der GefTVO, die ja bekanntlich am 3.7.2002 für nichtig erklärt wurde (soweit sie Hunde betraf). Zum damaligen Zeitpunkt bestanden in Niedersachsen diese Rasselisten:
1) Pitbull, AmStaff, Bullterrier, deren Kreuzungen der ersten Generation
2) Dobermann, Rottweiler, StaffBull und neun weitere Rassen und deren Kreuzungen
Ausgewertet wurden die Unterlagen der Wesenteste (Fragebögen, Videoaufzeichnungen, Protokolle, etc.) von 415 Hunden.
Beispiele der Ergebnistabellen
Testsituation "Betrunkener"
Gruppe B
aggressiv 65%, nicht aggressiv 35 % davon freundliche Annäherung:0%
Gruppe K
aggressiv 20%, nicht aggressiv 80 % davon freundliche Annäherung: 7,1%
Testsituation "Ranganmaßung durch Umfassen der Schnauze"
Gruppe B
Akzeptieren 57,5 % Akzeptieren nach Entziehen: 30,0% Entziehen 12,5%
Gruppe K
Akzeptieren 69,6 % Akzeptieren nach Entziehen: 29,0% Entziehen 1,4%
Beobchtung des Gebrauchs von Leinenruck während der Tests
Gruppe B ja: 76,2 % nein: 23,8%
Gruppe K ja: 45,7% nein: 54,3%
Beobachtung der Leinenführigkeit während der Tests
Gruppe B gut: 48,8% schlecht: 51,2%
Gruppe K gut: 61,4% schlecht: 38,6
(Kriterium: "gute Leinenführigkeit" wurde dann vergeben, wenn in mindestens 75% der Zeit auf dem Videoband die Leine locker durchhing, alles andere war "schlecht")
Anspringen der fremden Testperson bei der Übung "Spiel mit Fremdem"
Gruppe B ja: 59,5% nein: 40,5
Gruppe K ja 37,1 % nein 69,2%
Gehorsam
Gruppe B sehr gut 37,5% gut 37,5% schlecht 25 %
Gruppe K sehr gut 53,3% gut 40% schlecht 6,7 %
(Kriterium: sehr gut bei nur einem Kommando, gut bei zwei bis drei Kommandos, schlecht bei mehr als drei Kommandos)
Übereinstimmung von Haltereinschätzung und tatsächlichem Hundverhalten
26,3% der Halter gaben im Fragebogen an, der Hund würde in den Situationen "abruptes Aufstehen", "stolpernde Person", "Jogger", usw. nicht aggressiv reagieren, tatsächlich reagierte er aber aggressiv
1,5 % der Halter gaben im Fragebogen an, der Hund würde in den Situationen aggressiv reagieren, tatsächlich reagierte er aber nicht aggressiv
-> über ein Viertel der Halter aggressiver Hunde schätzen ihren Hund falsch ein, Besitzer nicht-beißender Hunde verschätzen sich nur in 1,5%
Insgesamt ergibt sich unter Zusammenfassung diverser Testsituation diese Gesamtzahl:
Gruppe B 39,9 % Übereinstimmung
Gruppe K 79,9% Übereinstimmung
...jeweils der Einschätzung im Fragebogen mit dem tatsächlichen Hundeverhalten
Zusammenfassung
Halter von Hunden "K" konnten ihre Hunde besser beeinflussen, die Interaktionen waren entspannter, die Halter konnten den Hunde mehr Sicherheit vermitteln. Außerdem konnten sie das Verhalten ihrer Hunde besser einschätzen. Die Sachkunde des Besitzers ist der beeinflussende Faktor dafür, ob ein Hund in Konfliktsituationen aggressiv oder nichtaggressiv reagiert. Aus diesem Grund sind Ausbildungsmöglichkeiten für Hund und HAlter vermehrt zu etablieren und zu optimieren.
Festgestellt wurde, dass viele Halter den Fragebogen offenbar nicht korrekt ausgefüllt hatten.
So gaben viele Halter an, für die Erziehung nur Leine, Spielzeug und Leckerlie benutzt zu haben, erschienen aber mit ihrem Hund mit einem Stachelhalsband. Der Test wurde immer mit einem normalen Leder- oder Nylonhalsband durchgeführt.
Das Verhalten der Hunde kann sich während der Phase des Wartens auf den Testtermin (Wochen bis Monate) verändert haben.
Der ständige Leinen- und Maulkorbzwang läßt solche Veränderungen stark vermuten. Der Maulkorb verhindert diverse arttypische Sozialkontakte, der Leinenzwang kann zu mangelnder Auslastung und Frustation führen. Diese Faktoren stellen Stressauslöser dar, die die Hemmschwelle zu aggressivem Verhalten senken können.
"Auch die gesellschaftliche Ausgrenzung der Hunde, die einem Maulkorbzwang unterliegen, stellt einen bedeutenden Aspekt der Verhaltensbeeinflussung dar. So werden Hunde, die einen Maulkorb tragen, nicht selten intensiv angeschaut, was ähnlich wie die Wesenstestsituation "Anstarren" einen für diese bedrohlichen Charakter hat. Da das Tragen eines Maulkorbes "Gefährlichkeit" impliziert, werden solche Hunde häufig von Menschen gemieden, was eine Verarmung der sozialen Umwelt nach sich zieht."